Dinkel erlebt derzeit einen regelrechten Boom in den Supermarktregalen – besonders bei Produkten, die sich gezielt an Familien mit Kindern richten. Doch hinter den bunten Verpackungen und verlockenden Gesundheitsversprechen verbirgt sich oft eine ausgeklügelte Marketingstrategie, die Eltern in die Irre führt und deren Geldbeutel unnötig belastet.
Der Dinkel-Hype: Zwischen Tradition und Trend
Dinkel gilt als das „Urgetreide“ schlechthin und wird von Herstellern als besonders wertvolle Alternative zu herkömmlichem Weizen beworben. Diese Positionierung macht sich die Lebensmittelindustrie geschickt zunutze: Produkte mit Dinkel werden oft 30 bis 50 Prozent teurer verkauft als vergleichbare Weizen-Alternativen – ohne dass der Mehrwert für Kinder immer gerechtfertigt wäre.
Besonders perfide wird es, wenn Hersteller gezielt die Sorgen gesundheitsbewusster Eltern ausnutzen. Begriffe wie „natürlich“, „ursprünglich“ oder „bekömmlich“ dominieren die Produktbeschreibungen, obwohl wissenschaftliche Belege für einen eindeutigen Gesundheitsvorteil gegenüber anderen Vollkornprodukten oft fehlen.
Verpackungsdesign: Wie Optik über Inhalt entscheidet
Die Gestaltung von Dinkel-Produkten für Kinder folgt einem bewährten Schema: Erdtöne suggerieren Natürlichkeit, während spielerische Elemente wie Comicfiguren oder Tiermotive die junge Zielgruppe ansprechen sollen. Dieser Spagat zwischen „gesund“ und „kindgerecht“ führt jedoch oft zu irreführenden Darstellungen.
Häufige Täuschungsmanöver bei der Verpackungsgestaltung:
- Übergroße Darstellung von Dinkelkörnern, die einen höheren Vollkornanteil vortäuschen
- Verwendung von Begriffen wie „mit Dinkel“ bei einem tatsächlichen Anteil von unter 20 Prozent
- Abbildungen glücklicher Kinder, die eine besondere Eignung für die Kinderernährung suggerieren
- Hervorhebung einzelner Nährstoffe, während der Gesamtzucker- oder Salzgehalt verschleiert wird
Die Macht der Worte: Wenn Werbetexte verwirren
Werbetexte auf Dinkel-Produkten arbeiten geschickt mit Emotionen und Halbwahrheiten. Formulierungen wie „unterstützt das Wachstum“ oder „für aktive Kinder“ erwecken den Eindruck wissenschaftlich belegter Vorteile, basieren jedoch oft nur auf den allgemeinen Eigenschaften von Getreide.
Besonders tückisch sind Aussagen wie „glutenarm“ bei Dinkel-Produkten. Dinkel enthält sehr wohl Gluten – diese Bewerbung kann Eltern von Kindern mit Zöliakie oder Glutenunverträglichkeit gefährlich in die Irre führen.
Preis-Leistungs-Falle: Wenn Premium-Preise nicht gerechtfertigt sind
Ein kritischer Blick auf die Zutatenliste offenbart häufig ernüchternde Wahrheiten: Viele als „Dinkel-Produkte“ beworbene Artikel enthalten lediglich einen geringen Anteil des beworbenen Getreides. Der Rest besteht aus günstigeren Zutaten wie Weißmehl, Zucker oder Palmöl.
Diese Mischkalkulation ermöglicht es Herstellern, mit minimalen Mehrkosten maximale Gewinnspannen zu erzielen. Verbraucher zahlen den Premium-Preis für ein vermeintlich hochwertiges Produkt, erhalten aber oft nur eine geringfügig veränderte Standardware.
Versteckte Zusatzstoffe: Wenn „natürlich“ nicht natürlich ist
Dinkel-Produkte für Kinder sind keineswegs automatisch frei von Zusatzstoffen. Künstliche Aromen, Farbstoffe und Konservierungsmittel finden sich auch in vermeintlich „natürlichen“ Produkten. Die Hersteller nutzen dabei geschickt die Tatsache, dass Verbraucher bei Dinkel-Produkten weniger kritisch auf die Zutatenliste schauen.
Besonders problematisch wird es bei Süßwaren oder Snacks mit Dinkel: Hier überwiegen oft Zucker, Fett und Zusatzstoffe, während der beworbene Dinkel-Anteil verschwindend gering bleibt.
Durchblick im Regal: Worauf Eltern achten sollten
Um nicht in die Marketingfalle zu tappen, lohnt sich ein genauer Blick auf die Produktdetails. Die Zutatenliste verrät die Wahrheit: Inhaltsstoffe sind nach Gewichtsanteil sortiert. Steht Dinkel erst an vierter oder fünfter Stelle, handelt es sich um ein Produkt mit minimalem Dinkel-Anteil.
Checkliste für den bewussten Einkauf:
- Zutatenliste prüfen: Wo steht Dinkel in der Reihenfolge?
- Nährstofftabelle vergleichen: Unterscheidet sich das Produkt wirklich von günstigeren Alternativen?
- Preis pro 100 Gramm berechnen: Lohnt sich der Aufpreis wirklich?
- Auf konkrete Nährwertangaben achten statt auf Werbeversprechen
Alternative Strategien für gesunde Kinderernährung
Statt auf teure Fertigprodukte zu setzen, können Eltern oft mit einfachen Mitteln gesündere und günstigere Alternativen schaffen. Reines Dinkelmehl für selbstgebackene Kekse kostet einen Bruchteil fertiger Dinkel-Snacks und garantiert einen echten Vollkornanteil.
Auch der Wechsel zwischen verschiedenen Getreidesorten – Hafer, Gerste, Roggen – bringt mehr Abwechslung in den Speiseplan als der einseitige Fokus auf Dinkel-Produkte.
Regulierung und Verbraucherschutz: Wo bleibt die Kontrolle?
Die aktuellen Kennzeichnungsvorschriften bieten Herstellern noch immer viel Spielraum für irreführende Darstellungen. Während bei Bio-Produkten strenge Kontrollen gelten, können konventionelle Dinkel-Produkte mit minimalen Anteilen des beworbenen Getreides vermarktet werden.
Verbraucherschützer fordern bereits schärfere Regeln für die Bewerbung von Getreideprodukten. Bis dahin bleibt es an den Verbrauchern, durch kritisches Hinterfragen und bewusste Kaufentscheidungen für mehr Transparenz zu sorgen.
Der Dinkel-Boom zeigt exemplarisch, wie geschickt die Lebensmittelindustrie gesundheitsbewusste Trends für profitable Marketingstrategien nutzt. Eltern, die wirklich das Beste für ihre Kinder wollen, sollten daher weniger auf bunte Verpackungen und mehr auf echte Inhaltsstoffe vertrauen.
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