Erwischt: Du redest wieder mit dir selbst – aber Psychologen sagen, Menschen die das tun sind intelligenter

Warum wir alle ab und zu mit uns selbst reden – und was das über unsere Psyche aussagt

Du stehst vor dem Kühlschrank und murmelst: „Was soll ich nur kochen?“ Oder du suchst deinen Schlüssel und fragst dich laut: „Wo habe ich das Ding denn schon wieder hingelegt?“ Vielleicht führst du sogar ganze Diskussionen mit dir selbst, während du durch die Wohnung läufst. Falls du dich jetzt ertappt fühlst – keine Sorge! Du bist nicht verrückt. Selbstgespräche sind ein normales Verhalten, das viele Menschen zeigen und das dabei helfen kann, Gedanken zu ordnen oder Emotionen zu regulieren.

Die meisten von uns tun es, aber kaum jemand redet darüber: Selbstgespräche sind wie das Singen unter der Dusche – völlig verbreitet, aber dennoch gerne verschwiegen. Dabei zeigt die Forschung: Wer regelmäßig mit sich selbst spricht, aktiviert wichtige mentale Prozesse. Zeit, diesem alltäglichen Phänomen auf den Grund zu gehen und herauszufinden, was unsere inneren Monologe wirklich über uns verraten.

Das Phänomen der Selbstgespräche: Häufiger als man denkt

Fast jeder spricht mit sich selbst – zumindest innerlich, oftmals aber auch laut. Psychologische Untersuchungen, etwa von Charles Fernyhough, zeigen, dass die Mehrheit der Erwachsenen regelmäßig Selbstgespräche führt. Auch Alltagserhebungen bestätigen, dass Selbstgespräche zu den normalen kognitiven Aktivitäten gehören.

  • komplexe Aufgaben oder Probleme lösen
  • eine Entscheidung treffen müssen
  • unter Stress stehen
  • alleine sind und sich unbeobachtet fühlen
  • Routinearbeiten erledigen

In solchen Momenten dienen Selbstgespräche als eine Art mentales Werkzeug zur Bewältigung von Anforderungen und zum Strukturieren von Gedanken.

Was die Wissenschaft über innere Dialoge sagt

Die kognitive Psychologie hat sich in den letzten Jahren intensiv mit Selbstgesprächen beschäftigt. In einer bekannten Studie zeigten Gary Lupyan und Daniel Swingley, dass Menschen gesuchte Gegenstände schneller finden, wenn sie deren Namen laut aussprechen. Das laute Einbinden von Sprache kann also die visuelle Aufmerksamkeit und Wahrnehmung verbessern.

Wenn wir mit uns selbst sprechen, aktivieren wir sowohl Areale für das Sprechen als auch jene für das Hören. Diese gleichzeitige Aktivierung verschiedener Gehirnbereiche stärkt die Konzentration und kann kurzfristig das Gedächtnis unterstützen.

Psychologen unterscheiden dabei unterschiedliche Arten der inneren Sprache – von flüchtigen Kommentaren bis zu längeren Monologen. Diese Vielfalt spiegelt die Komplexität unseres Denkens wider.

Kurze Selbstkommentare

Das sind alltägliche, knappe Aussagen wie „Mist, zu spät“, „Lecker!“ oder „Wo ist denn…?“ Diese Kommentare helfen dabei, Gedanken zu ordnen, Handlungen zu strukturieren oder spontane Reaktionen zu verarbeiten.

Ausgeprägte Selbstgespräche

In diesen inneren Dialogen wägen wir Argumente ab, simulieren Gespräche oder reflektieren Entscheidungen. Beispielsweise: „Soll ich den Jobwechsel wirklich wagen? Es wäre ein Neuanfang, aber auch ein Risiko…“ Diese Art von Selbstgespräch aktiviert komplexe kognitive Prozesse wie Planung, Bewertung und Reflexion.

Selbstregulation durch Sprache

Wie wir mit uns selbst sprechen, kann auch unseren Umgang mit Emotionen beeinflussen. Ethan Kross und sein Forschungsteam fanden heraus, dass Menschen, die in der dritten Person mit sich selbst sprechen – etwa „Du schaffst das, Anna“ statt „Ich muss das schaffen“ – besser mit Stress umgehen und Situationen sachlicher betrachten.

Dieser sprachliche Kniff schafft psychologische Distanz: Das Problem fühlt sich weniger überwältigend an. Interessanterweise zeigen bildgebende Studien, dass dabei ähnliche Hirnregionen aktiviert werden wie beim Nachdenken über andere Menschen. So gelingt ein Perspektivwechsel auf sich selbst – empathisch statt selbstkritisch.

Die unterschiedlichen Gesichter innerer Monologe

Nicht alle Menschen führen Selbstgespräche auf die gleiche Weise. Die psychologische Forschung identifiziert verschiedene Funktionen von innerem Dialog – vom Problemlösen über Motivation bis hin zum Grübeln.

Der Stratege

Dieser Typ spricht mit sich, um den Tag zu planen oder Entscheidungen zu treffen. „Zuerst zur Post, dann einkaufen, danach noch E-Mails…“. Der innere Dialog dient hier der kognitiven Organisation.

Der emotionale Unterstützer

In angespannten Situationen beruhigt sich dieser Typ durch innere Sprache. Das können Sätze sein wie: „Du hast das schon einmal geschafft“ oder „Ganz ruhig, Schritt für Schritt.“ Solche Selbstgespräche fördern die emotionale Selbstregulation – ein Teilbereich emotionaler Intelligenz.

Der Anfeuerer

Hier fungiert der innere Dialog als Motivator: „Los geht’s!“ oder „Du kannst das!“ Dieser Typ nutzt Sprache, um sich zu pushen, etwa beim Sport oder vor Präsentationen.

Der Grübler

Manche Menschen hängen in negativen inneren Schleifen fest: „Ich bin nicht gut genug“ oder „Warum passiert mir das immer?“ Wenn solche Gedanken dauerhaft dominieren, kann das auf eine emotionale Belastung hindeuten.

Ab wann Selbstgespräche problematisch werden

So hilfreich Selbstgespräche sein können – sie können auch zum Warnsignal werden. Besonders wenn sie:

  • ständig negativ und selbstabwertend sind
  • soziale Situationen stören
  • von „antwortenden Stimmen“ begleitet werden
  • zwanghaft auftreten

In solchen Fällen ist es sinnvoll, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Studien zeigen, dass anhaltend negative Selbstgespräche mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen einhergehen können.

Kulturelle Bewertung: Wie Gesellschaften über Selbstgespräche denken

Wie Menschen auf lautes Selbstgespräch reagieren, hängt auch von ihrem kulturellen Umfeld ab. In manchen Gesellschaften wird es als ungewöhnlich empfunden, in anderen ist es völlig akzeptiert. Während man in westlich geprägten Ländern Selbstgespräche oft mit Schüchternheit oder Unsicherheit assoziiert, betrachten andere Kulturen sie als Teil spiritueller Praxis oder Ausdruck von Achtsamkeit. Bisher fehlen jedoch umfassende Kulturvergleiche in der psychologischen Forschung.

Selbstgespräche effektiv nutzen – so geht’s

Sprich über dich in der dritten Person

Statt „Ich schaffe das nicht“ lieber sagen: „Du hast schon viel geschafft, [Name]. Du schaffst auch das.“ Diese Form schafft emotionale Distanz – ein Ansatz, der wissenschaftlich gut belegt ist.

Lautes Denken zur Problemlösung

Wenn du dich sortieren willst, sprich die Optionen laut aus. Selbstgespräche strukturieren dein Vorgehen und fördern die Klarheit in komplexen Situationen.

Positive Selbstbestärkung

Gönn dir motivierende Worte: „Gut gemacht!“ oder „Ich bin auf dem richtigen Weg.“ Studien zeigen, dass solche Aussagen messbar das Selbstvertrauen und die Leistung steigern können.

Digitale Selbstgespräche: Neue Wege der Selbstreflexion

In Zeiten von Smartphones entdecken viele Menschen neue Wege des Selbstgesprächs – etwa durch Voice-Memos oder Sprachnachrichten an sich selbst. Erste Studien deuten an, dass diese Form der Reflexion ähnliche Funktionen wie klassische Selbstgespräche erfüllen kann. Die Forschung steckt jedoch noch in den Anfängen.

Fazit: Selbstgespräche sind Teil einer gesunden Selbstregulation

Selbstgespräche sind weit verbreitet – und oft ausgesprochen nützlich. Sie helfen beim Nachdenken, Motivieren und Regulieren von Gefühlen. Wer mit sich selbst kommuniziert, aktiviert komplexe kognitive Prozesse, stärkt das emotionale Gleichgewicht und trifft bessere Entscheidungen.

Deshalb lohnt es sich, die eigene innere Stimme nicht zu ignorieren. Im Gegenteil: Sie kann ein wertvoller Begleiter sein – im Alltag, in Stresssituationen und auf dem Weg zu einem achtsameren Leben.

Redet also ruhig mit euch selbst – nicht aus Verlegenheit, sondern mit Selbstbewusstsein. Denn wer bewusst mit sich spricht, kommt sich selbst einen Schritt näher.

Welche Art von Selbstgespräch führst du am häufigsten?
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